Frauen mit Resilienz und einer Vision

Unternehmerische Ökosysteme
15.10.2019
Frauen in ländlichen Gebieten kreieren Arbeitsplätze und ein besseres Leben im Kosovo 
Es ist eine bekannte Geschichte im Kosovo der Nachkriegszeit. Nach dem Wiederaufbau von Häusern und Leben finden Frauen, deren Kinder erwachsen und unabhängig geworden sind, neue Wege, um ihren Familien und der Gemeinschaft zum Erfolg zu verhelfen. Oft führte sie dieser neue Lebensweg zu einer profitablen Geschäftstätigkeit, egal was es war, das die Familie in schweren Zeiten über die Runden brachte.

Die Geschichte von Afërdita Murati

Afërdita Murati, 50, ist stolz auf ihre Produktlinie von frischen Beerensäften und Marmeladen, und dies zurecht. Was vor einigen Jahren mit einem Glas Himbeermarmelade für ihre Kinder und 10 Litern frisch gepresstem Aroniabeerensaft begann, ist heute ein Unternehmen, das ein wachsendes Sortiment an über 500 Geschäfte im ganzen Land verkauft.

Afërdita Murati auf dem Markt in Pristina 

Als ausgebildete Chemielaborantin hatte Afërdita keine Gelegenheit, ihr erworbenes Wissen und ihr traditionelles Know-How über die Verarbeitung von Obst und Gemüse anzuwenden, da sie mit der Erziehung ihrer drei Kinder und dem Aufbau eines neuen Lebens in Kroatien beschäftigt war, wohin sie und ihr Mann Shaip damals ausgewandert waren.

"Afërdita ist ein Vorbild für Emanzipation; sie hat vielen Frauen geholfen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen", sagt ihr Mann Shaip, der für das Familienunternehmen arbeitet. 

Nach dem Krieg im Kosovo hatte die Familie entschieden, in ihr Heimatdorf Llapashticë zurückzukehren, etwa 35 km von der Hauptstadt Pristina entfernt. Heute, im Jahr 2019, in einem ruhigen, malerischen Dorf sagt Afërdita, dass sie bei ihrer Rückkehr im Jahr 2001 alles von Grund auf neu bauen mussten: "Wir haben alles verbrannt gefunden, also haben wir beschlossen, unser Familienhaus wiederaufzubauen". Es dauerte zwei Jahre, bis sie von einer Einzimmerwohnung für die ganze Familie in das neue Haus umziehen konnten.

Im Jahr 2014 erfuhr Afërdita, dass der Himbeeranbau im Kosovo immer wichtiger wurde, weshalb sie schnell auf diesen Trend reagierte und dabei mitmachte. Ein Jahr später und mit 4 Hektaren genutztem Land war der Ertrag hoch. Die Suche nach einem Markt für diese Menge erwies sich nicht als einfach, da viele Landwirte die gleiche Frucht produzierten. 

Afërdita erinnerte sich an die von anderen Frauen weitergegebene Tradition, nutzte den Überschuss der Himbeerproduktion und erfand ein einfaches Marmeladenrezept. Damals ging sie auf einen Strassenmarkt für hausgemachte Produkte von Frauen und verkaufte 10 Gläser an einem Tag. In den folgenden Monaten richtete sie täglich einen Stand in einem großen Einkaufszentrum in Pristina ein, wo sie ihre selbstgemachte Marmelade und frischen Himbeeren verkaufte. Sie begann, an jedem Lebensmittelmarkt teilzunehmen, an dem sie nur konnte. 

"Ohne Netzwerkarbeit würde ich nie etwas erreichen. Neben der Idee und der Einsatzbereitschaft ist das Netzwerken die fehlende Zutat, wenn man seine Vision verwirklichen will", rät Afërdita jeder Unternehmerin. 

Neben dem Geschäft gründete Afërdita eine NGO, um die Vernetzung von Frauen in der Region zu fördern und ihnen Fähigkeiten zu vermitteln, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Einige von Afërditas Produkten 
Neue Produktionsanlage

Im Jahr 2017 expandierte Afërdita in den Anbau von Aroniabeeren. Als sich auch diese Ernte als schwierig zu verkaufen erwies, zeigte sie erneut die charakteristische Widerstandsfähigkeit wie so viele Frauen, die ihren Willen zur Verbesserung ihres Lebens nutzen und trotz schwieriger Umstände und schwieriger Zeiten Lösungen finden. Mit den Händen als Werkzeug, einem einfachen Mixer und sauberer Gaze stellte sie frischen, natürlichen Aroniasaft her, welcher sich für 15 Euro pro Liter verkaufte. Als die Kundenliste wuchs, stellte sie ihre Familie und andere Frauen aus ihrem Dorf ein, um mit der Nachfrage Schritt halten zu können. 

Mit der Unterstützung von der Gemeinde und der Geldgeber, wie z.B. die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), registrierte Afërdita ihr Unternehmen, kaufte die ersten Geräte ein und baute Produktionsanlagen. Durch die Unterstützung von Swisscontact kaufte sie eine automatische Abfüll- und Verschliessmaschine. "Es brauchte 4 Leute, die einen ganzen Tag arbeiteten, um 500 Flaschen zu füllen und zu verschliessen. Mit dieser Maschine erledigen wir den Prozess in weniger als 30 Minuten", freut sich Afërdita über die Effizienz des Prozesses, was einen höheren Gewinn generiert.

Laut Afërdita ist die Unterstützung der Geldgeber entscheidend, insbesondere für von Frauen geführten Unternehmen. Durch die Zusammenarbeit mit Swisscontact wird sie die neue Marke für ihre wachsende Produkteliste entwickeln, ihre Rezepte patentieren und einen geeigneten Marketingplan erstellen. Ihr oberstes Ziel ist es, den einzigartigen handwerklichen Charakter von Produkten zu erhalten, die sich von anderen Produkten abheben, und mit dem Export zu beginnen.

Die Geschichte von Donika Skeli

Frauen machen fast 50% der 1,78 Millionen Einwohner des Kosovos aus, aber nur 4,9% von ihnen sind landwirtschaftliche Grundbesitzer. Im Vergleich zu den Männern sind die Landfrauen im Kosovo neben der unbezahlten Landarbeit stärker an unbezahlter Hausarbeit und der Betreuung von Familienmitgliedern beteiligt. Insgesamt wird geschätzt, dass 13,3% der Frauen im Kosovo erwerbstätig sind.

Das Kosovo-Projekt Promoting Private Sector Employment (PPSE) von Swisscontact ist im Bereich Lebensmittel und natürliche Inhaltsstoffe tätig. Einer der Ergebnisindikatoren des Projekts ist der erhöhte Einbezug von Frauen in die gesamte Wertschöpfungskette. Im Jahr 2018 haben alle Aktivitäten in diesem Sektor rund 357 Vollzeitarbeitsplätze geschaffen, davon 45 % für Frauen und rund 1.580 zusätzliche Erwerbsmöglichkeiten, davon 42 % für Frauen. 

Der Vertragsanbau ist einer der Bereiche mit den besten Beschäftigungs- und Verkaufsresultaten. Donika Skeli, 43, ist eine der Landwirtinnen, die vom PPSE-Partner, dem Sammelzentrum Agrocelina, mit dem Anbau von Gurken beauftragt wurde. 

Als Besitzerin eines Friseursalons in einer kleinen Stadt im Zentrum des Kosovos verdiente Donika einen guten Lebensunterhalt für ihre vierköpfige Familie. Ihre Eltern und ihr Bruder in ihrem Heimatdorf waren jedoch aufgrund der Arbeitslosigkeit mit schwierigen Zeiten konfrontiert. Mit der vollen Unterstützung ihres Mannes und ihrer zwei Töchter legte Donika ihr Leben als Friseurin auf Eis und kehrte zur Vollzeitbeschäftigung als Bäuerin zurück. 

Erfolgreiche Unternehmerin Danika Skeli

Donika erhielt ein Startkapital vom Landwirtschaftsministerium, richtete ein Treibhaus auf dem Land ihrer Familie ein, unterzeichnete einen Vertrag mit Agrocelina und beschäftigte sowohl ihre Brüder als auch ihren Vater. Die Sammelstelle versorgt sie mit Setzlingen und kauft das gesamte Endprodukt ein. Dies ist Teil des Systems, welches mit PPSE-Unterstützung etabliert wurde. 

"Ich habe als junges Mädchen von meiner Mutter Landwirtschaft erlernt; wir waren von jeher Bauern. Ich freue mich, dieses Wissen wieder zu nutzen; diesmal, um meinen jüngeren Brüdern und ihren Familien zu helfen, ihren Lebensunterhalt auf ihrem eigenen Land zu verdienen, damit sie nicht von einer Nebenbeschäftigung abhängig sind. Der zufriedene Blick im Gesicht meiner Mutter und das Wissen, dass es meiner Familie gut geht, ist die einzige Belohnung, die ich will", sagt Donika.

Die Geschichten von Afërdita und Donika, wie auch andere ähnliche Geschichten aus der ganzen Welt, zeugen von der Schlüsselrolle, die ländliche Frauen in ihren Familien und Gemeinschaften spielen; sie zeigen auf, dass alle davon profitieren, wenn Frauen gleiche Chancen und Zugang zu Ressourcen erhalten.

Diese Geschichten sind den Landfrauen in aller Welt anlässlich des Internationalen Tages der Landfrauen gewidmet, welcher jeweils am 15. Oktober stattfindet: https://www.unwomen.org/en/news/stories/2019/9/announcer-day-of-rural-women-2019

Das Projekt Promoting Private Sector Employment (PPSE) wird finanziert durch die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) und wird umgesetzt von Swisscontact.