Tansania: Von Abfallhelden und goldenen Besen

09.04.2019
Rasantes Bevölkerungswachstum und Urbanisierung überfordern die Abfallbewirtschaftung in vielen Städten Tansanias. Die zunehmende Umweltverschmutzung bedroht bestehende Ökosysteme und die Gesundheit der Bevölkerung. Swisscontact setzte mit dem Projekt «Taka ni Mali» einen Meilenstein im Bereich der Abfallsammlung und -verwertung. Das Projekt endete 2018.

In städtischen Gebieten Tansanias verursachen die wachsende Bevölkerung und die Urbanisierung seit einigen Jahrzehnten einen markanten Anstieg der Land-, Luft- und Wasserverschmutzung. Durch unsachgemässe Verarbeitung und Entsorgung der Abfälle entsteht eine zunehmende Beeinträchtigung für die bestehenden Ökosysteme und die Gesundheit der Menschen. In Tansania fehlte es jedoch an Privatunternehmen, die das Know-how in der Abfallverarbeitung und im Recycling besitzen. 

Den Wert von Abfall erkennen und ausschöpfen

«Taka ni Mali» ist Suaheli und bedeutet «Abfall ist wertvoll». Die zentrale Frage des Projekts lautete also: Wie kann dieser Wert bestmöglich ausgeschöpft werden? Basierend auf den Erfahrungen in Asien und Lateinamerika legte Swisscontact den Hauptfokus des Projekts auf die Weiterentwicklung der Abfallsammlung und -verwertung, um mehr Einkommen zu generieren und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Durch die Einführung der Abfalltrennung auf Haushaltsebene wurden die Wertstoffe getrennt gesammelt und konnten weiterverarbeitet werden. Die grössere Menge an recycelbaren Materialien führte schliesslich auch zur Generierung von neuen, «grünen» Arbeitsplätzen. 
 

Den zweiten Schwerpunkt setzte das Projekt auf die Reduzierung der Abfallmengen, die auf öffentlichen Mülldeponien landen.  So verringerte die Abfalltrennung die unverwertbare Mischabfallmenge bereits deutlich. Auf den Deponien wurde mehr verrottbarer Abfall entsorgt, was die Boden- und Wasserverschmutzung verminderte. Durch weniger Mischabfall wurde zudem das Verstopfen von Abflüssen, lokale Überschwemmungen und andere Formen der Umweltverschmutzung eingedämmt, was schliesslich die Gesundheitsrisiken der Bevölkerung minimierte.

Gemeinschaftliches Engagement und Nachhaltigkeit

Das Projekt hat einen systemischen Wandel initiiert, indem alle wichtigen Interessensgruppen im Bereich der Abfallwirtschaft zusammengeführt wurden, wie lokale Behörden, Gemeinderäte, Abfallsammler (Community-Based Organisations, CBOs), Müllverdichter/Aggregatoren, Recyclingunternehmen und Haushalte. Die Arbeit mit privaten und öffentlichen Organisationen veränderte die Denkweise der Gemeinschaften, Ressourcen gemeinsam zu nutzen und dadurch die Wirkung zu maximieren. Die Rolle von Swisscontact als Vermittlerin zwischen all diesen Marktakteuren zielte darauf ab, die Akzeptanz des Projekts durch alle Beteiligten sicherzustellen und damit die Nachhaltigkeit der Aktivitäten zum Ausbau der Abfallbewirtschaftung zu gewährleisten.

Die ersten Anzeichen eines systemischen Wandels waren zu erkennen, als der Gemeinderat von Morogoro das CBO-System (die wichtigsten Abfallsammler, die für die Verwaltung der Abfallsammlung in ihren Mandatsvierteln verantwortlich sind), in einer integrierten Strategie zur Entsorgung fester Abfälle institutionalisierte. Sie erkannten die CBOs als Dienstleister an und erlaubten ihnen, die primäre Abfallsammlung auf Haushaltsebene zu übernehmen. Als Alternative zur willkürlichen Entsorgung von Hausmüll wurde die regelmässige und kostengünstige Abfallsammlung angeboten. Die Mitarbeitenden der CBOs wurden durch den Aufbau technischer und administrativer Kapazitäten in die Lage versetzt, sich für angemessene Entsorgungsdienste und die Durchsetzung der überarbeiteten Satzungen der Gemeinde einzusetzen.


Folgende innovativen Aktivitäten haben die Akzeptanz und das Engagement der Beteiligten entscheidend gefördert:

  • Ein sechsmonatiger Wettbewerb zur Ermittlung des leistungsstärksten CBO. Der Gewinner wurde als 'Taka Shujaa' gekrönt, was so viel wie «Abfallheld» bedeutet.
  • Der Nachbau des ‘Taka Mita’, eines Abfallzählers, inspiriert von einem erfolgreichen Abfallmanagementprojekt in Bolivien. Das Messgerät ist ein öffentlicher Wegweiser, der in jeder Abfallstation angebracht ist und den Grad der Sauberkeit anzeigt. Die sauberste Station wurde mit dem «goldenen Besen» ausgezeichnet.
  • Taka ni Mali unterstützte die Entwicklung und Verbreitung von Sensibilisierungsmaterialien durch Hausbesuche und öffentliche Kampagnen, welche der Bevölkerung die überarbeiteten Umweltgesetze und -richtlinien näherbrachten.
  • In Zusammenarbeit mit Schulen und Umweltvereinigungen wurde den Lernenden die Bedeutung von Kompostierung sowie die Möglichkeit der Abfalltrennung an der Quelle nähergebracht. Auf den Schulgeländen sind jetzt Kompost- und Biogärten angelegt.

Befähigung auch auf Gemeinde-Ebene

Der integrative Projektansatz hat alle Interessensgruppen miteinbezogen. Dies förderte die Beziehungen zwischen den Marktteilnehmern und trug dazu bei, den Geist der Eigenverantwortung der Gemeinschaft aufzubauen, der für die Nachhaltigkeit von entscheidender Bedeutung ist. Der partizipative Entwicklungsprozess stimulierte das Engagement der wichtigsten Akteure im Abfallsektor: Sie wurden in verschiedenen Bereichen geschult, um selbstständig geeignete und massgeschneiderte Strategien für die Abfallwirtschaft zu entwickeln und umzusetzen. Dadurch konnten die Gemeinden ihre Umweltschutzpolitik ändern und ein geeignetes System zur Entsorgung und Rezyklierung ihrer Abfälle anwenden.

Bis 2016 wurden mit Sensibilisierungskampagnen rund 16 000 Haushalte erreicht und in die Abfallsortierung eingeführt. Zudem wurden 50 Gesundheitsbeauftragte des Gemeinderats von Morogoro in der Abfallwirtschaftspolitik geschult. Die CBO-Mitarbeitenden konnten ihr durchschnittliches Jahresnettoeinkommen um 56,7 % auf 370 CHF steigern. Über 40 000 Tonnen Abfall wurde weiter verwertet und 38 000 Tonnen organisches Material kompostiert.

Alle Resultate bis 2018

Fünf Stories zeigen auf, wie «Taka ni Mali» das Leben einzelner Personen beeinflusste. Sie finden Sie oben  in der rechten Spalte.

Taka ni Mali wurde von Swisscontact in den Gemeinden Morogoro und Mwanza umgesetzt und von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), der Energiestiftung Puma und dem Kanton Genf finanziert.