Kenia: Digitalisierung im Dorf Kinja

11.06.2019
Der sinnvolle Einsatz digitaler Technologien ist in vielen Projekten von Swisscontact ein Thema. Ein Beispiel ist die Entwicklung einer digitalen Lösung für Spar- und Leihgruppen in Kenia. Dank einer bedürfnisorientierten App können sich die Gruppen transparenter verwalten.

Nahezu 20 Personen drängen sich an diesem Donnerstagvormittag in den kleinen Raum im Dorf Kinja in Kenia. Auf dem niedrigen Tisch in der Mitte stapeln sich die Geldscheine. Die Männer und Frauen sind für das monatliche Treffen ihrer Spar- und Leihgruppe zusammengekommen. Legt jemand Geld auf den Tisch, leuchtet sogleich ihr oder sein Mobiltelefon auf – das Geld wurde verbucht.

«Mavuno» bedeutet Ernte in Suaheli. «Mavuno»-Gruppen sind Spar- und Leihgruppen und bestehen aus 10 bis 30 Personen. Jedes Mitglied spart einen festgelegten kleinen Betrag. An der Sitzung werden diese Ersparnisse zusammengelegt. Aus der Summe, die so zusammenkommt, vergibt die Gruppe einen Kleinkredit an eines oder mehrere Mitglieder. Zinssätze und Rückzahlungsbedingungen hat die Gruppe bei der Gründung gemeinsam festgelegt. Mitglieder, die einen Kredit aufnehmen, kaufen damit zum Beispiel Saatgut oder Werkzeuge. Swisscontact begleitet seit 2006 die Gründung von 1 990 Mavuno-Gruppen mit 44 538 Mitgliedern, davon 76% Frauen aus Kenia, Uganda und Tansania.

Digitalisierung als Schritt zur Bankfähigkeit

Bisher haben die Gruppen-Mitglieder ihre Einlagen und Kredite jeweils handschriftlich in Büchern festgehalten. Das ist zwar niederschwellig, aber auch fehleranfällig und intransparent. Deshalb hat das Projektteam von Swisscontact die Zusammenarbeit mit dem kenianischen Software-Entwickler Digital Vision gesucht, dessen Software «Chamasoft»die Mavuno-Gruppen ins digitale Zeitalter führt.
Mit einer App, die auf die speziellen Bedürfnisse und Möglichkeiten der Mavuno-Gruppen angepasst wurde, werden alle Einlagen und Kreditvergaben digital verbucht. Jedes Mitglied der Gruppe hat Zugriff auf die Online-Plattform der Applikation und erhält eine Nachricht mit dem Betrag seiner Einlage auf sein Telefon. Wer kein Smartphone besitzt, bekommt eine SMS – in Kenia verfügt die grosse Mehrheit der Bevölkerung über ein Mobiltelefon. Über die App können alle Gruppen-Administratoren zu jeder Zeit einsehen, wer wie hohe Einlagen getätigt hat, wer wieviel Kredit bezogen hat und wie die Rückzahlungsraten sind. Gruppenmitglieder haben ein personalisiertes Profil, in dem sie ihre eigenen Ersparnisse leicht überwachen können.

Die Vorteile der digitalen Erfassung der Geldflüsse für die Gruppen sind zweierlei:

  • Fehlerquellen werden eliminiert, die Effizienz wird erhöht.
  • Indem sie einen digitalen Track-Record vorlegt, der die Geldflüsse sichtbar macht, erhöht die Gruppe zudem ihre Glaubwürdigkeit gegenüber Kreditgenossenschaften und Banken; sie wird bankfähig. 


Enge Begleitung bei der Einführung

Eine enge Begleitung bei der Einführung der Software erwies sich jedoch als zwingend. Vor allem die tiefe Alphabetisierungsrate stellt eine Hürde dar, die mit der richtigen technischen Unterstützung allerdings bezwingbar ist. Seit 2017 wurde die App bereits in 43 Gruppen mit 750 Mitgliedern eingeführt.

Die Mavuno-Mitglieder bestätigen den Nutzen der App: «Ich führte früher etwa sieben Bücher: eines über Ersparnisse, über Kredite, über unseren sozialen Fonds, über Geldbussen, nicht bezahlte Schulden und so weiter. Da war die Gefahr gross, Dinge zu übersehen. Jetzt auf dem Telefon ist das viel einfacher,» sagt Peter Kamau, Administrator und Mitglied einer Mavuno-Gruppe.